Qualzucht bei Haustieren: Ethik, Gesetze und Auswirkungen auf die Tiergesundheit
Erfahre mit uns, was Qualzucht bedeutet, welche gesundheitlichen Risiken sie mit sich bringt und wie rechtliche Maßnahmen das Wohl von Haustieren schützen sollen
Qualzucht bei Haustieren ist ein zunehmend kontrovers diskutiertes Thema, das verstärkt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht. Die Beliebtheit von Haustierrassen, insbesondere Hunderassen, mit extremen optischen Merkmalen hat zu intensiven Diskussionen über die ethischen und gesundheitlichen Bedenken dieser Zuchtpraktiken geführt. Aber was bedeutet der Begriff „Qualzucht“ genau und welche rechtlichen Regelungen gibt es dazu? Ist es ethisch vertretbar, Tieren Leiden zuzufügen, nur um ästhetischen Schönheitsstandards zu entsprechen? Entdecke es gemeinsam mit uns, während wir dieses wichtige Thema für das Wohlergehen der Tiere erkunden.
Was ist Qualzucht?
Qualzucht, auch als Defektzucht bekannt, beschreibt die gezielte Zucht von Haustieren mit spezifischen Merkmalen, die zu gesundheitlichen Problemen und Leiden führen können. Diese Praktiken können zu Funktionsausfällen bei den Tieren führen, die mit Leiden und Schmerzen verbunden sind.
In der Debatte über Tierzucht stehen besonders die Auswirkungen der Brachycephalie im Fokus. Bekannte Beispiele sind der Mops und die Französische Bulldogge, sowie Perserkatzen und Kaninchen mit ihren charakteristischen Merkmalen wie runde Köpfe, große Augen und kurze Nasen. Diese Merkmale bedienen das Kindchenschema, gehen aber oft mit schwerwiegenden genetischen Defekten einher, die die Gesundheit der Tiere erheblich beeinträchtigen können. Auch Riesenrassen und Zwergrassen bei Hunden können als Zuchten mit gesundheitlichen Defekten betrachtet werden. Riesenrassen leiden häufig unter schmerzhaften Knochentumoren, Hüft- und Gelenkproblemen sowie Magendrehungen. Bei extrem kleinen Hunderassen treten oft Zahnwechselstörungen, Zahnfehlstellungen, Kniescheibenprobleme, Bandscheibenprobleme (jeder 4. Dackel ist betroffen) und Stoffwechselstörungen auf.
Außerdem sind ein häufiges Problem in der Hundezucht besondere Fellfarben wie Mausgrau, Charcoal, Champagner, Blue und Silber. Diese außergewöhnlichen Farben entstehen durch das sogenannte Dilute-Gen, ein Defekt-Gen, das in vielen Rassen vorkommt. Betroffene Rassen sind unter anderem Labrador, Bulldoggen, Chihuahua, Prager Rattler, die sogenannten „blue line“ Pit Bull-artigen Züchtungen, „Silver Labrador“, „blaue amerikanische Dackel“ sowie viele weitere Rassen und Mischlinge.
Durch das Dilute-Gen ist das Risiko für die Krankheit Color Dilution Alopecia (CDA), auf Deutsch Farbmutantenalopezie, deutlich erhöht. Diese Form der Alopezie (Haarausfall) führt nach und nach zu einem vollständigen Fellverlust. Leider gibt es für diese Art der Alopezie keine Therapie.
Genauso ist ein Defekt-Gen für die Taubheit bei Dalmatinern verantwortlich. Der Zuchtstandard des FCI schreibt vor, dass die Ohren schwarze Punkte aufweisen sollen. Allerdings weiß man heute, dass diese Anforderung das Risiko für Taubheit bei Dalmatinern deutlich erhöht.
Was sagt das Gesetz dazu?
Diese Gesundheitsprobleme sind oft das Ergebnis von Zuchtpraktiken, die auf ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild abzielen und können sich in verschiedenen körperlichen und organischen Einschränkungen zeigen.
Der Begriff „Qualzucht“ wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eingeführt, als 1999 das „Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes“ veröffentlicht wurde. Dieses Gutachten definiert, welche Zuchtpraktiken als Tierquälerei gelten und daher verboten sind. Im Jahr 2013 wurde das Tierschutzgesetz weiter verschärft, um klarer zu definieren, welche Merkmale bei Tieren durch Qualzucht entstehen können. Allerdings wurden nicht alle betroffenen Tierarten berücksichtigt, und die Erkenntnisse haben sich seither weiterentwickelt.
Im Frühjahr 2024 wurde eine Tierschutzgesetz-Reform vorgeschlagen, um bestimmte Merkmale bei Hunden zu definieren, die „Schmerzen, Leiden oder Schäden“ verursachen können. Die Vereinigung der deutschen Hundezüchter (VDH) äußerte Bedenken, dass dies zu einem Zuchtverbot für Dackel führen könnte, deren kurze Beine und gestreckte Wirbelsäule zu Gesundheitsproblemen führen. Auch Rassen wie Bulldoggen oder Mops, die Atemprobleme haben können, sind betroffen.
Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums betonte jedoch, dass das Ziel nicht sei, Hunderassen zu verbieten, sondern übermäßig deformierte Zuchten zu verhindern, die Tieren Schmerzen bereiten könnten. Das Gesetz soll klare wissenschaftliche Kriterien für die Zucht festlegen, um Tierleid zu vermeiden. Bestehende Tiere dürfen behalten, aber nicht zur Zucht oder Ausstellung verwendet werden.
Die Diskussion um das „Qualzuchtverbot“ wird fortgesetzt, um sicherzustellen, dass Haustiere gesund und frei von genetischen Problemen leben können. Der Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes wird dieses Jahr dem deutschen Kabinett und dann dem Bundestag vorgelegt, um die Rechte und das Wohl von Haustieren in Deutschland weiter zu stärken.
Das Qualzucht-Evidenz Netzwerk (QUEN)
Ein wertvolles Instrument in diesem Zusammenhang ist die QUEN-Datenbank (Qualzucht-Evidenz Netzwerk). Diese umfassende Informationsplattform bietet eine Übersicht über zuchtbedingte, sichtbare und verdeckte Defekte betroffener Tierrassen. QUEN wurde von der Tierärztekammer Berlin initiiert und wird in Zusammenarbeit mit europäischen und internationalen Partnern betrieben.
QUEN soll in erster Linie Veterinärbehörden, Gerichten, politischen Entscheidungsträgern und Gesetzgebern helfen, tierschutzrechtliche Normen im Bereich Zucht und Ausstellungswesen umzusetzen. Auch für die Öffentlichkeit ist sie zugänglich, wenn sich Besitzer darüber informieren möchten, welche Krankheitsdispositionen bestimmte Rassen heben. Die Datenbank wird kontinuierlich mit neuesten Erkenntnissen aktualisiert und bietet wertvolle Informationen zur Verbesserung der Tiergesundheit.
Ein besonderer Fokus liegt auch auf landwirtschaftlichen Nutztieren wie Milchkühen, Masttieren, Legehennen und Schafen. Diese Tiere sind oft genetisch so verändert worden, dass ihre Produktionsleistung steigt, was jedoch häufig auf Kosten ihrer Gesundheit geht und zu Schmerzen, Leiden und Schäden führt.
Durch die Bereitstellung präziser Daten und Forschungsergebnisse trägt QUEN dazu bei, die Qualität der Zuchtpraktiken zu verbessern und das Wohl der Tiere zu gewährleisten. Die Datenbank ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines umfassenderen Tierschutzes und einer nachhaltigen Tierhaltung.
Was kann ich tun?
- Ressourcen nutzen: Wenn du darüber nachdenkst, ein neues Haustier zu bekommen, ist es entscheidend, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu treffen. Informiere dich gründlich über die potenziellen gesundheitlichen Risiken bestimmter Rassen und werde dir der Auswirkungen von Qualzuchtpraktiken bewusst. Eine hilfreiche Ressource dafür ist die Datenbank QUEN. In den Niederlanden ist beispielsweise die Zucht brachycephaler Rassen seit August 2023 verboten. Zusätzlich wurde ein nützliches Ampelmodell erarbeitet, das in der QUEN Datenbank unter diesem Link für alle einsehbar ist.
- Tipps von Experten und Tierärzten: Hol dir die Tipps von Experten und Tierärzten, um sicherzustellen, dass du die beste Entscheidung für dich und dein zukünftiges Haustier triffst. Bei Dr. SAM bieten wir tierärztliche Beratungen zur Haustierwahl an, die dir helfen können, den richtigen Weg zu finden.
- Unterstützung von Tierheimen und Adoption: Engagiere dich aktiv, unterstützte Tierheime/ Tierschutztiere oder entscheide dich für die Adoption von Tieren, die ein liebevolles Zuhause suchen.
- Dalmatiner: Dalmatiner mit schwarzen Ohren sind beispielsweise nicht von dem Taubheitsproblem betroffen. Daher ist es ratsam, die Rassestandards von gepunkteten Ohren zu ignorieren und gezielt Dalmatiner mit schwarzen Ohren zu kaufen.
- Langbeinige Dackel, Corgis und Bassets: Ebenso sollten langbeinige Dackel, Corgis und Bassets bevorzugt werden, denn sie neigen deutlich seltener zu Bandscheibenvorfällen als Exemplare mit kurzen Beinen.
- Offene Zuchtbücher zur genetischen Regeneration: Wir müssten zurück zu den sogenannten „offenen“ Zuchtbüchern, um die Weiterentwicklung und genetische Regeneration der Hunderassen zu fördern. Dies wird erreicht, indem auch andere Rassen eingekreuzt werden dürfen. Derzeit gibt es nur „geschlossene“ Zuchtbücher, die nur die Zucht innerhalb der gleichen Rasse erlauben. Dies hat im Laufe der Jahre zu einer starken genetischen Einschränkung (Inzucht) bei vielen Rassen geführt, wodurch ihre Gesundheit erheblich beeinträchtigt wurde.
- Nicht vergessen: Tiere haben Körpersprache als einzige Stimme! Bei Menschen existiert das Robinow-Syndrom, ein genetischer Defekt, der ähnliche Merkmale wie bei einigen kurznasigen Hunderassen aufweist. Man kennt die Leiden dieser Menschen, weil man sie direkt nach ihren Erfahrungen mit den Missbildungen befragen konnte. Tiere hingegen können sich nur durch ihre Körpersprache ausdrücken und ihre Schmerzen nur bedingt mitteilen!
Hast du Fragen oder möchtest du mehr darüber erfahren? Teile deine Gedanken mit uns! Kontaktiere uns über unsere Kanäle – wir freuen uns auf den Austausch mit dir.
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- Aufklärung über die Bedürfnisse und das Wohlergehen der Tiere